Entstehungsgeschichte
Entstanden ist die Siedlung Horstmar wohl zur Altsachsenzeit, in der hier wie an vielen anderen Orten des Münsterlandes Gruppen von Bauern größere Waldflächen rodeten und die so geschaffenen freien Flächen („Esch") als Ackerland nutzten. In jeder solchen Siedlungsgemeinschaft gab es einen Haupthof, der auch fast immer eine etwas größere Fläche des Esch nutzte als die anderen und häufig auch als unterster Bauernrichter fungierte; die meisten dieser Haupthöfe wurden später die sogenannten Schulzenhöfe. Bei der Unterwerfung der Sachsen durch die Franken in der Zeit kurz vor 800 wurden dann einzelne Schulzenhöfe durch fränkische Edle besetzt und zu befestigten Plätzen ausgebaut, um die Frankenherrschaft zu sichern. Auch die spätere Horstmarer Burg dürfte aus einem solchen befestigten Haupthof entstanden sein und die Stadt aus der Siedlung von Handwerkern und anderen Dienstleistenden, die sich in der Nähe und im Schutze einer Burg ansiedelten.
Der besondere Reiz der Stadt Horstmar geht aus von der Altstadt mit ihrem fast quadratischen Umriss und den darin planmäßig parallel zu den Seiten angelegten Straßenzügen, in der Bebauung bestimmt durch Kirche und Rathaus im Zentrum und den sogenannten Burgmannshöfen an den Zufahrten zur Altstadt und den Ecken. Die Entstehung dieser besonderen mittelalterlichen Stadtanlage und vor allem auch ihre gute Erhaltung bis in die heutige Zeit, die zum Ensembleschutz durch das Westfälische Landesamt für Denkmalpflege führte, ist eine Folge der Stadtgeschichte. Darin sind drei Daten von besonderer Bedeutung: Im Jahre 1269 fiel die Herrschaft Horstmar an die Fürstbischöfe von Münster, die die Siedlung zu einer Grenzfeste gegen Steinfurt ausbauten und sie zum Sitz des fürstbischöflichen Amtes Horstmar machten. 1635 wurde die Burg Horstmar zerstört und von da ab war Horstmar nicht mehr bevorzugte Sommerresidenz der Fürstbischöfe im nordwestlichen Münsterland, denn danach wurde die fürstbischöfliche Amtsverwaltung nach Coesfeld verlegt. 1803 fällt das fürstbischöfliche Amt Horstmar an die Grafen von Salm-Grumbach, die ihren Wohnsitz im ehemaligen Kloster Varlar nahmen, wodurch Horstmar endgültig seine zentralörtliche Bedeutung einbüßte.
Die auf solchen befestigten Haupthöfen lebenden Edlen haben im Laufe der Jahrhunderte ihre weltliche Macht immer mehr auszudehnen versucht, wobei die Edlen von Horstmar wohl recht erfolgreich waren, denn vor allem im 12. Jahrhundert werden sie in einer ganzen Reihe von Urkunden, sogar von Urkunden deutscher Kaiser als Zeugen genannt, so dass sie eine recht bedeutsame Stellung unter den Adligen des Münsterlandes gehabt haben. Auch gelang es ihnen, nachdem Heinrich der Löwe 1180 seine Landesherrenrechte in Westfalen verloren hatte, gegen das weltliche Machtstreben der Bischöfe von Münster, über ihre Besitzungen die volle Landesherrschaft zu erlangen.
Der bedeutendste aus dem Geschlechte der Edlen von Horstmar ist den Überlieferungen nach Bernhard der Gute, obwohl seine Bedeutung nicht von seinem Schaffen in Horstmar herrührt. Bernhard von Horstmar hatte nämlich als Zweitgeborener keine Erbansprüche auf die Horstmarer Besitzungen und hat sich daher schon früh anderen Diensten zugewandt, wobei die Kreuzzugsbegeisterung in Westfalen wie in vielen deutschen Landen ihm entgegen kam.
So nahm er unter Kaiser Friedrich Barbarossa am dritten Kreuzzug 1189/90 teil und zeichnete sich - besonders als der Kaiser schon tot war - als tapferer und umsichtiger Ritter aus, vor allem bei der Einnahme der Türkenfestung Akkon. Besonders hervorgetan hat er sich dann als einer der ersten Berater Kaiser Ottos IV., dem er zudem in der entscheidenden Schlacht zwischen Staufer und Welfen 1214 bei Bouvines in Nordfrankreich durch seine Umsicht als Ritter das Leben rettete, dafür aber selbst in Gefangenschaft geriet. Noch bedeutender aber sind seine Verdienste bei seinen diplomatischen Erfolgen bei der Versöhnung zwischen den verfeindeten Parteien in Europa im Auftrage des Reichsverwesers Engelbert von Köln und später des Kaisers Friedrich II., an dessen Hof in Italien er mehrfach war. Am 28. Juli 1227 fiel er in der Schlacht bei Coevorden, in der die Bauern der Drente ihre Freiheit gegenüber dem Fürstbischof von Utrecht, unterstützt vom Fürstbischof von Münster, erkämpften.
Die Größe der Herrschaft Horstmar stieg dann noch weiter, als die Gemahlin des Edlen Otto von Horstmar, eines Neffen Bernhards, beim Tode ihres Bruders 1241 die Herrschaft Ahaus erbte. Doch schon nach dem Tode Ottos wurde die Herrschaft wieder geteilt, Ottos Sohn Bernhard erhielt die Herrschaft Ahaus und seine Tochter Beatrix bei ihrer Heirat mit dem Grafen Friedrich von Rietberg 1251 die Herrschaft Horstmar. Als dann Friedrich von Rietberg als Bundesgenosse des Erzbischofs von Köln in der Kölner Fehde gegen den Fürstbischof Gerhard von Münster zusammen mit dem Fürstbischof Simon von Paderborn in münstersche Gefangenschaft geriet, konnte er das Lösegeld nur aufbringen, indem er seine Horstmarer Besitzungen an Fürstbischof Gerhard von Münster „verkaufte". So kamen 1269 Burg und Herrschaft Horstmar mit allem Grundbesitz einschließlich der Vasallen, Dienstmannen und Hörigen unter fürstbischöflich münstersche Landeshoheit.
Da Fürstbischof Gerhard hierdurch seinen Herrschaftsbereich nach Nordwesten ganz erheblich ausweitete, kamen er und seine Nachfolger in zunehmendem Maße in Interessenkonflikte mit den Edlen von Steinfurt. Daher baute er die Burg Horstmar aus, legte unterhalb der Burg eine Siedlung mit regelmäßiger Anordnung der Straßen und fast quadratischem Grundriss an und umgab diese mit Wall und Graben als Befestigung. Zudem wurde die politische Bedeutung des Ortes dadurch gestärkt, dass Fürstbischof Gerhard (gest. 1272) der Siedlung ein Stadtrecht verlieh. Die Organisation der Verteidigung wurde so genannten Burgmannen übertragen. Bei den Burgmannen handelte es sich zunächst meist um zweitgeborene Söhne von Schulzen und vor allem Rittern, die als Getreue des Landesherrn militärischen Dienst versahen und dafür von ihrem Herrn größere Besitzungen als Lehen erhielten. Diese Burgmannslehen einschließlich der daraus sich ergebenden Pflichten wurden aber sehr schnell erblich, und aus den Inhabern bildete sich der neue Stand der Dienstmannen - Burgmannen - der sich als neuer Stand mit Adelsrecht im 14. Jh. zwischen Uradel und Bauern einzufügen wusste.
Gründung der Stadt
Angelegt worden ist die Stadt Horstmar, die durch ihren fast quadratischen Stadtgrundriss sich von den etwa gleich alten anderen Städten des Münsterlandes eindeutig unterscheidet und als ein sehr frühes Beispiel der quadratischen Stadtgrundrisse in Deutschland anzusehen ist, kurz nachdem Fürstbischof Gerhard von Münster im Jahre 1269 die Herrschaft „kaufte“. 1251 hatte Friedrich von Rietberg sich mit Beatrix von Horstmar vermählt und dabei die alte Herrschaft Horstmar erheiratet. Als er dann in der Kölner Fehde als Verbündeter des Erzbischofs von Köln 1267 von Fürstbischof Gerhard von Münster gefangen genommen wurde, konnte er das Lösegeld nur aufbringen, indem Friedrich Graf zu Rietberg und Horstmar seine Horstmarer Burg und Herrschaft mit allem Grundbesitz einschl. der Vasallen, Dienstmannen und Hörigen für 1150 Mark an Fürstbischof Gerhard von Münster verkaufte. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Horstmar nur die Burg und mehrere Häuser.
Fürstbischof Gerhard von Münster baute gleich nach dem Erwerb die unterhalb der Burg befindliche kleine Siedlung aus, befestigte sie mit Wall und Graben und verlieh ihr ein Stadtrecht, das ein Befestigungs- und ein Marktrecht, eine eigene Verwaltung und eine eigene Gerichtsbarkeit (Stadtgericht – es bestand bis 1849, ab 1815 als Land- und Stadtgericht, dann wurde es nach Burgsteinfurt verlegt (Amtsgericht), während eine Gerichtskommission noch bis 1875 in Horstmar verblieb) beinhaltete. Seine Nachfolger erwarben 1296 das Gogericht zur Sandwelle, dem einzigen Berufungsgericht im Fürstbistum, und verlegten den Gerichtsort von Metelen im Bereich des heutigen Vogelparks nach Horstmar, so dass Erwerb und Ausbau Horstmars als gezielte Maßnahmen für den Landesausbau und die Machterweiterung der Fürstbischöfe von Münster gesehen werden müssen.
Die besondere Stellung Horstmars im Fürstbistum ergibt sich weiterhin daraus, das der dem 1325 gestifteten Kapitel aus sechs Kanonikern vorstehende Dechant direkt dem Fürstbischof unterstellt wurde, während die übrigen Kollegiatkapitel der Diözese jeweils einem Probst unterstanden, der zugleich Mitglied des Domkapitels war. Somit gehörte nur das Horstmarer Kapitel zum unmittelbaren Rechtsbereich des Bischofs. Zudem machten die Fürstbischöfe bei der Gliederung des Fürstbistums in Ämter – wohl im 14. Jh. – Horstmar zum Mittelpunkt des fürstbischöflichen Amtes Horstmar, zu dem 34 Gemeinden gehörten.
Befestigung der Stadt
Als Befestigung wurde ein Wall-Graben-System mit acht eingelagerten befestigten Höfen, die sog. Burgmannen als Lehen übertragen wurden, gewählt. Eindeutig auf Grund von Resten im Südwesten der Stadt und vor allem durch die Parzellengestaltung rund um die Stadt ist der Verlauf von Binnenwall und Graben komplett rekonstruierbar. Und aus dem 1828 angefertigten Urkataster der Stadt kann man erkennen, dass die Burgmannshöfe mit Ausnahme des Ascheberger Hofes mit ihren Außenmauern direkt auf der Grabenkante standen. Eine in der Literatur einmal erwähnte Stadtmauer hat auf keinen Fall die ganze Stadt umschlossen, nur am Münsterhofe gibt es auf Grund entsprechender Reste Hinweise, dass die Anbindung des Hofes an den Binnenwall durch ein Mauerstück erfolgt ist. Bei den anderen Burgmannshöfen gibt es jedoch keine Hinweise, dass dies dort auch der Fall gewesen ist.
Für einen zusätzlichen äußeren Befestigungswall gibt es zahlreiche Hinweise ebenfalls auf Grund der Parzellengestaltung, sie sind allerdings nicht ganz so eindeutig. Dies dürfte damit zusammen hängen, dass bereits um 1755 von zu Gärten niedergelegten Stadtwällen gesprochen wurde, von denen man ob der großen Not Miete erheben wolle. Als die Not der Bürger, die mit dem 30jährigen Krieg begonnen hatte, sich immer noch nicht linderte, wurde 1766 auch noch der Binnenwall an die jeweiligen Anwohner verkauft mit der Erlaubnis, den Graben auszufüllen, um auf den so gewonnenen Flächen Gärten anzulegen. Somit zeigt die Parzellierung der Grundstücke den Verlauf von Wall und Graben. 1913 wurde der direkt am Sendenhof noch verbliebene Grabenbereich („Stinkendiek“) und 1928 der im Nordosten der Stadt noch verbliebene Grabenbereich zugeschüttet. Nur an der Südwestecke der Stadt sind heute noch beträchtliche Teile von ehemaligem Binnenwall und Stadtgraben erhalten geblieben und inzwischen als Bodendenkmal unter Schutz gestellt worden.
Die Straßendurchgänge durch das Wall-Graben-System wurden von Stadttoren gesichert. Jenes der Verbindungsstraße von Stadt und Burg ist bis heute erhalten. Es ist direkt an einen Burgmannshof angebaut, nämlich an den Sendenhof und wird heute als Schloßtor bezeichnet, obwohl es nicht das Eingangstor zum Schloss ist, sondern das zum Schloss hin aus der Stadt herausführende Stadttor. Das Schlosstor ist in der Art eines kastenförmigen Torturmes ausgebildet. Die Durchfahrt besteht aus einem sehr kräftigen Spitzbogen. Die dicken Sandsteinquader des Erdgeschosses betonen den wehrhaften Charakter. Das Obergeschoss aus Ziegeln könnte später aufgesetzt worden sein. Dieses Tor ist besonders bemerkenswert, weil es das einzig erhaltene seiner Art im weiten Umkreis ist. - Auch die Münster- und die Schöppinger Straße wurden nach außen hin durch ganz analoge Kastentore abgeschlossen.
Das Münstertor hat zudem wohl auch noch ein kleines Nebenpförtchen gehabt, denn von dessen Reparatur wird in einer Stadtrechnung des 17. Jh.s berichtet. An das Münstertor erinnern heute nur noch zwei hohe Torpfeiler. Als oberen Abschluss tragen sie Vasen. Nach den Rokoko-Ornamenten zu urteilen, müssen sie gegen 1770 entstanden sein. Hier stehen sie allerdings erst seit 1828. Vorher dienten sie als lmmunitätspfeiler des Damenstifts in Metelen, sie wurden der Stadt vom Fürst von Salm-Horstmar geschenkt.
– Und auch am Ende der Schöppinger Straße stehen zwei Torpfeiler, sie haben allerdings eine wechselvollere Geschichte. So wurden aus Sansteinen vom Abbruch der ehemaligen Stadttore am Ende der Schöppinger Straße zwei Pfeile errichtet, allerdings ohne Aufsätze. Solche wurden erst 1834 vom Maurermeister Diemet angefertigt, aber schon 1886 durch neue, die heute noch vorhandenen, ersetzt. Und auch der Standort dieser Pfeiler ist mehrfach verändert worden, denn ursprünglich haben sie viel näher zum Valkenhof hin gestanden.
– Und wie das Stadttor im Süden am Ascheberger Hof ausgesehen hat, ist überhaupt nicht bekannt. Es dürfte aber wohl kleiner gewesen sein, denn es wird einmal als Abschnittstor bezeichnet.